Miriam Buschatz
Es war einmal ein Engel
„Um einen Engel zusammenzusetzen, bedarf es Asche, Schnee und Blut.“
Zerschnittene Erinnerung
Lars Dierich steht am Rande des Zusammenbruchs: überfordert von seinem Job in der Redaktion, heimgesucht von seiner alkoholkranken Mutter, die ihm bis ins Büro hinterhertelefoniert — selbst seine Träume von der großen Liebe sind leer, seit sein Engel Nicole verschwunden ist. Seine Verzweiflung betäubt er mit Drogen. Die Schnitte in seiner Erinnerung füllt er mit der Suche nach dem Engel: nach dem Mädchen, das ihr ähnelt. Er findet nur Schuld, immer wieder.
Ein Teufelskreis, den Todesermittler Peck seit drei Jahren stoppen will.
Asche, Schnee und Blut
Kann man einen Engel zusammensetzen, ohne jemanden zu opfern?
Lars flieht in den Traum seines zerstörerischen Märchens — und wenn die Welt in Trümmern liegt. Denn in den Ruinen wartet Nicole, wartet unermüdlich auf ihn.
„Ein Roman, der mich auch beim mehrfachen Lesen mitreißt und durchschüttelt. Spannend und komplex, voller sprachlicher Tiefe. Durch meinen Einblick in die Psychiatrie schätze ich besonders die glaubwürdige Vielschichtigkeit der Figuren.“ - Petra Rudolf
Leseprobe
Um einen Engel zusammenzusetzen, bedarf es Asche, Schnee und Blut. Asche für die Farbe des Kleides, das sich um ihren Körper schmiegt. Schnee für den Glanz ihrer Haare und ihrer zarten Haut. Blut für das Leben in ihren Adern. Wenn er nur wüsste, wo sie steckt.
Wieder geht er die Straße hinab, an der sich Bäume gegen Häuser stellen. Wieder bleibt er am Park stehen, den Laternen säumen wie stumme Wächter. Wieder sucht er zwischen kahlen Büschen, Bänken und Schneematsch nach dem Ring, den sie verloren hat.
***
Schnitt.
Seit Möckern sitzt er in der S-Bahn. Schwindel im Kopf, Hände im Schoß. Durch die Haut scheinen Knochen. Er muss zu Nicole. Er zittert nur, weil er nach Hause und die Tür aufreißen will, hinter der sie wartet, unermüdlich wartet.
Ihr Handybild – schwarz. Ein Riss spaltet die Scheibe wie einen gläsernen Sarg. Mitten hindurch, durch ihn. Hinter den Lidern perlen Tränen, Nicole weint in seiner Brust, wo ein Herz schlagen sollte, doch nur Feuer Flammen schlägt.
Weit hinten sitzt ein Mann, der sieht ihn doch. Da, die Frau weiß alles. Sie starren ihn an, sehen durch ihn, als wäre er aus Glas. Hören alles. Hören das Weinen.
Seinetwegen weint sie; weil er sie allein lässt und sie sich im Dunkel fürchtet; wenn er zu ihr geht, weiß sie, dass er keine schlimmen Dinge mehr macht.
***
Peck tastet den Kopf des Opfers ab, an der Hinterseite fühlt er eine aufgeraute Stelle. Er dreht ihn ein wenig herum. Eine Schürfwunde. Also kam es zum Kampf. Wie bei den anderen beiden.
Mit Daumen und Zeigefinger zieht er der Leiche ein Auge auf. Punktförmige Einblutungen an der Lidinnenseite. Sie ist erstickt? Vielleicht hat Eva recht und der Täter ist ein anderer. Die Übertötung könnte darauf hindeuten. Jemand, der einen Suizid vortäuschen wollte oder dachte, wenn er die Tat einem gesuchten Täter unterschiebt, kommt er davon. Jemand, den er schnell von der Straße kriegt.